Es geht um 2 Millionen Euro. Es ist Spiel 7 in der Aprilfolge von “Schlag den Raab” als Stefan Raab mit seinem Mountainbike stürzt und kurzzeitig das Bewusstsein verliert. Die Chancen auf 2 Millionen für den Herausforderer Hans Martin steigen schlagartig an. Doch anstatt die Runde zu beenden bricht Martin seine Runde ab um nach Raab zu schauen.
Ortswechsel: Wir sitzen bei Hessen Tanzt. Das größte Tanzsportturnier in Deutschland. Für Amateure. Einer Dame reißt die Perlenkette. Der Tanz geht weiter. Einige Wertungsrichter werden wegen der drohenden Gefahr sichtlich nervös. Versuchen sogar während des Tanzes die ersten Perlen zu entfernen. Am Ende sind viele Hände zur Stelle um alle Perlen aufzusammeln.
Am gleichen Ort Minuten später auf der gleichen Fläche: Es tanzen andere Paare auf neue Musik. Ungefähr das halbe Lied ist gespielt, da stürzt eine Dame. Die Ursache konnte ich nicht erkennen. Auf allen sechs simultan betanzten Flächen wird der Tanz fortgesetzt. Sekunden nach dem Sturz ist es sogar auf der Tribüne deutlich zu erkennen: die Gestürzte ist nicht bei Bewusstsein. Der Tanzpartner nimmt Sie schützend & stützend in den Arm. Um ihn herum und auf den anderen Flächen wird munter weitergetanzt. Kurze Zeit später findet sie ihr Bewusstsein wieder. Einige Sekunden vergehen und zwei Personen bahnen sich den Weg durch die munter Weitertanzenden. Irgendwann ist der Tanz regulär beendet. Die Verletzte wird von ihrem Tanzpartner und den beiden zu Hilfe geeilten an den Rand der Fläche begleitet, wo bereits Helfer eines Rettungsdienstes warten. Die unverletzten Tänzer der Hauptgruppe 1 im Standard konnten ihren Tanz ungestört beenden. Das Geschehene haben Sie ignoriert nicht bemerkt. Und die Turnierleiter? Weder die Oberturnierleitung noch die Flächenleitung reagierten. Der Zeitplan ist schließlich eng. Naja, und die Wertungsrichter… die haben getan, wofür sie bezahlt werden: Paare bewerten.
Nein, bei Hessen Tanzt, dem Amateurtanzturnier geht es nicht um Geld. Es geht um persönlichen Erfolg.
Da kann man nur sagen: krass.
Das liegt aber meiner Meinung nach nicht daran, dass die Leute zu erfolgsorientiert oder kaltherzig sind, sondern eher daran, dass sie unbeholfen sind. Sie wissen schlichtweg nicht, wie sie in der Situation reagieren sollen. Und dann reagieren sie einfach mal so, wie die anderen es auch machen, nämlich gar nicht. Das erklärt aber nicht die Reaktion der Turnierleitung o.ä. denn sie ist sich ihrer Verantwortung ja sicherlich bewußt.
Dass die Sanitäter aber neben dem Feld gewartet haben und sich nicht draufgetraut haben, so klingt das zumindest, kann ich kaum glauben.
Sollst Du auch nicht glauben! Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, die haben ihren Job super gemacht. Die waren schnell zur Stelle! In meiner Wahrnehmung der Situation war es so, dass die Sanitäter gerade ankamen (also nur ca. eine Minute gebraucht haben, was bei 7 Flächen und vollen Gängen seeeehr schnell ist), als das Paar von der Fläche ging. Das heißt auch, dass sie selbstständig auf die Sache aufmerksam geworden sind, denn es gab ja keine Durchsage oder ähnliches. Von daher: Hut ab vor den Sannis!
Gibt sogar einen Namen dafür: Bystander-Effekt.
Ja und nein. Natürlich hast Du Recht und meine Darstellung, insbesondere bzgl. der Tänzer, ist sicherlich überspitzt. Aber ich glaube trotzdem, dass hier eine Grundhaltung der Tänzer und des Tanzsports (der auch mein Sport ist) insgesamt zum Ausdruck kommt. Im Fussball hat sich eine Spiel-Kultur ausgebildet, in der die Spieler, egal ob Gegner oder nicht, eine Verletzungssituation nicht zu ihrem Vorteil ausnutzen, sondern den Ball ins Aus schießen. Diese Kultur hat sich sogar in internationalen Spielen durchsetzen können! Und da gehts um Geld!
Beim Tanzen hingegen hat sich durchgesetzt, was einem beim Turniertraining eingebleut wird: sei der König auf der Fläche, lass Dir keine Fehler anmerken, strahle immer Souveränität aus. Und tatsächlich: souverän weitergetanzt haben die, die noch konnten. Verunsicherung konnte ich bei den Tänzern nicht beobachten.
Aber: ich möchte keinem der Tänzer auf dieser Fläche persönlich einen Vorwurf machen (wohl aber jedem einzelnen aus der Turnierleitung!). Wer weiß wie ich selber reagiert hätte… man kann nur hoffen…